Der Preis des Regierens mit Katrin Praprotnik
Halten Politiker*innen ihre Wahlversprechen öfter als gedacht? Warum wird nach einer Legislaturperiode der Juniorpartner in Regierungen eher abgestraft? Katrin Praprotnik im Gespräch mit Philipp Weritz über den Zustand der österreichischen Demokratie und was die Arbeit des Austrian Democracy Lab dazu beiträgt. Hier lesen sie drei Stichpunkte aus dem Gespräch.
2000 Versprechen unter der Lupe
Im Zuge ihrer Dissertation untersuchte Praprotnik die Versprechen, die Parteien im Wahlkampf gaben. Wie viele davon waren am Ende einer Regierungsperiode umgesetzt worden? „Wenn ich erzählt habe, dass ich dazu forsche, kam immer die Antwort ‘Es wird sowieso nichts umgesetzt.‘ Das war auch meine Motivation zu fragen, ob das wirklich so ist“. Das Ergebnis war, dass 50-60 Prozent umgesetzt oder zumindest zum Teil umgesetzt werden. Für Praprotnik trotzdem ein beachtlicher Wert: „Parteien, die in einer Regierung zusammentreten, tun das in einer Koalition. Sie müssen also immer Kompromisse finden“. Die öffentliche Meinung, dass Wahlzuckerl nur das bleiben, wurde also relativ klar widerlegt.
„Das hat mir auch gezeigt, was Wissenschaft können muss und können soll: Über schnelle, vorgefertigte Meinungen hinwegsehen und eine empirische Grundlage für den öffentlichen Diskurs zu liefern“. 2000 Wahlversprechen hat sie untersucht, jedes einzelne ein kleiner Mosaikstein im großen Bild. „Man lernt sehr viel über die Programmatiken von Parteien. Wie lang gewisse Forderungen bestehen, welche sich wiederholen, woher sie kommen und wie sie schlussendlich umgesetzt werden“. Das bestimmt die Rahmenbedingungen der repräsentativen Demokratie „und erklärt letztlich die Bedingungen, in denen wir alle leben“.
Regieren oder nicht regieren?
Ein zweiter Aspekt ihrer Forschung waren die „Kosten des Regierens“. Zwei Koalitionspartner, die eine Legislaturperiode beenden und die Frage: Wer wird von den Wählerinnen mehr belohnt bzw. bestraft? „Die Wahlergebnisse der letzten Jahrzehnte zeigen, dass der größere Regierungspartner ein Stück weit weniger verliert, als der kleine Partner. In Österreich war vor allem die Wahl 2002 dafür ein Beispiel, wo die FPÖ auf ein Drittel ihrer Stimmen reduziert wurde“. Auch eine europaweite Studie bestätigt dieses Bild. „Der Juniorpartner hat es schwieriger, sein Profil zu bewahren und zu schärfen und kann in Kombination auch weniger umsetzen. Deswegen wird er nach einer Wahl auch eher abgestraft“, erklärt sie.
Was bedeutet diese Erkenntnis für Koalitionsverhandlungen von kleineren Parteien? Ist eine Umsetzung von wenigen eigenen Zielen einen potentiellen Stimmverlust wert? „Das ist die Frage, die sich jede Partei stellen muss. In der Politikwissenschaft unterscheiden wir zwischen drei Zielen: Wählerstimmen, Ämtern und politischen Inhalten“. Vor einer Wahl werde der Fokus klar auf Wählerstimmen liegen, diese stehen auch in einer sehr linearen Kurve zu Ämtern: „Je höher der Stimmenanteil, desto mehr Ämter bekomme ich“.
Zufrieden mit Österreich?
Das Austrian Democracy Lab ist ein wissenschaftliches Forschungsprojekt der Universitäten Krems, KF-Graz und dem Forum Morgen. Wie steht es um die Zufriedenheit und die Qualität der Demokratie in diesem Land? Mit Christina Hainzl leitet Praprotnik das ADL, sie forschen zu Wahlrecht, Partizipation und Föderalismus. „Die drei Themenbereiche sind unsere Basis um die Qualität, das Verständnis und Reformpotentiale zu identifizieren“. Partizipation hält sie für das entscheidende Merkmal: „Wie stehen einzelne Bürgerinnen und Bürger zur Demokratie? Unterstützen sie sie, machen sie mit? Wenn ja, ist das System viel stabiler. Je mehr Partizipation, desto mehr Demokratie“.
Wahlen seien nur der Ausgangspunkt, das Wahlrecht, die Beteiligung am Diskurs, die Nutzung direktdemokratischen Elementen und die simple Frage, wann jemand (nicht) bereit ist, mitzumachen sind dringende Fragen. „Warum verwenden Menschen ihre wenige Zeit um einen Beitrag zur Demokratie zu leisten? Was motiviert zur Partizipation?“. Das und mehr untersucht das ADL im jährlich erscheinenden Demokratieradar.
Wer jetzt Biografie und Links
Katrin Praprotnik, *1986, Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Donau-Uni Krems, studiert und promoviert an den Universitäten Wien, Hamburg und Brüssel. Gemeinsam mit Christina Hainzl leitet sie das Austrian Democracy Lab. Sie finden sie auf Twitter und ihrer Homepage.
Diese Episode von Wer jetzt? wird gefördert durch Stadt Wien Kultur.
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