Die Demokratie in der Pandemie mit Daniela Ingruber
Was macht eine Pandemie mit der Einstellung zur Demokratie? Daniela Ingruber ist Wissenschaftlerin und forscht an der Donauuniversität Krems zu Demokratie, Krieg und Frieden. Wir lassen Revue passieren, wie die leeren Straßen nicht nur im übertragenen Sinne für einen fehlenden öffentlichen Raum gesorgt haben und warum Hoffnung so wichtig ist, um nicht in eine Dystopie abzudriften. Ebenfalls: Kriegsfotografie als Propaganda und eine Politik auf Augenhöhe . Lesen Sie hier zwei Stichpunkte aus dem Gespräch.
Hoffnung gegen Dystopie
„Ich habe schon immer ein Faible für Science-Fiction Filme gehabt“, sagt Ingruber. Als sie im ersten Lockdown aus dem Fenster blickte, kam ihr manchmal vor, als wären wir gerade in einem. „Der öffentliche Raum als Begegnungszone ist dadurch total verloren gegangen“. Sie sieht dadurch auch eine Verminderung der Demokratiequalität, denn die Begegnung in Person könne nicht ersetzt werden durch digitale Treffen. Der öffentliche Raum sei schon seit 20 Jahren dabei, zurückgedrängt zu werden. „Menschen brauchen physische Begegnungen, Menschen brauchen Berührung, und das physische gehört auch zur Kommunikation. Das macht etwas mit uns, wenn das fehlt“. Auch worüber wir reden, war in dieser Zeit nicht von Vielfalt und Ideenreichtum geprägt, es ging immer nur um die Pandemie.
8 Millionen Virologen
Wie überwindet man solche Phasen als Gesellschaft? „Mit Hoffnung und Solidarität. Gerade wenn wir Hoffnung haben – oder nicht haben – ist alles verloren, weil man sich dann auch alles gefallen lässt“. Ingruber macht den Konnex zu ihren Erfahrungen in Kriegsgebieten. „Was mich dort fasziniert hat, ich bin immer auf Menschen gestoßen, die noch Hoffnung hatten, zu Zeitpunkten wo ich mir dachte, jetzt ist wirklich alles verloren. Was soll man denn auch anders tun?“. Mit der Hoffnung geht auch ein Vertrauen in Systeme Hand in Hand. Gerade im ersten Jahr seit Beginn der Pandemie habe die österreichische Regierung viel Vertrauen verspielt. „Sie hat Dinge versprochen, die sie nicht halten konnte und irgendwann wollten die Leute nichts mehr hören“. Viel stärker war aber das Versagen, den Menschen ein Warum zu geben. Warum müssen wir durchhalten und noch weiter Einschränkungen hinnehmen?
Wie in den meisten Konflikten bringt ein Scheitern in der Kommunikation ein Scheitern auf ganzer Linie mit sich. „Man hat zum Teil mit uns geredet als wären wir kleine Kinder, und das ist gemein, denn kleine Kinder verstehen viel mehr als man meint. Man hat nicht zugehört, sondern Befehle ausgegeben. Man hat viel zu wenig auf Eigenverantwortung gepocht, und irgendwann haben viele Menschen beschlossen sie nehmen sich jetzt ihre Eigenverantwortung und zimmern sich ihre Wahrheit, denn wir sind ein Land von 8 Millionen Virologen“.
Allerdings sagt Ingruber auch, dass es nicht zu spät ist, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. „Die österreichische Seele ist sehr geduldig, man immer wieder sieht, wir neigen nicht unbedingt zu Revolutionen und Rebellion. Aber die Kommunikation muss sich massiv verändern, und ich glaube nicht, dass das jeder in der Regierung politisch überleben wird“.
[Anmerkung, das Gespräch wurde im April 2021 aufgezeichnet].
Wer jetzt? Biografie und Links
Daniela Ingruber ist Wissenschaftlerin an der Donauuniversität Krems und forscht zu Demokratie, Krieg und Frieden. Sie finden Sie auf Twitter sowie auf ihrer Homepage.
MA7
Dieser Podcast wird gefördert von Stadt Wien Kultur.
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