Wie entsteht das Neue? Mit Antonella Mei-Pochtler und Harald Katzmair
In der ersten Folge von „Wie jetzt?“ treffen Antonella Mei-Pochtler, Leiterin des Think-Tanks „Think Austria“ im Bundeskanzleramt und Harald Katzmair, Sozialwissenschaftler und Geschäftsführer von FAS Research zusammen. Sie sprechen über die Organisierung einer Wissensgesellschaft, den Unterschied zwischen Information und Wissen, wie man eine Gesellschaft geschlossen in eine immer schnellere Welt mitnimmt und vieles mehr.
„Unsere Welt ist nicht komplizierter geworden, sondern schneller“, sagt Harald Katzmair zu Beginn. Deswegen muss man auch unterscheiden – was ist Information, was ist Wissen und was ist Weisheit? Think-Tanks sind wichtige Orte, um eine andere Perspektive einzunehmen, um reflektiert zu entscheiden.
Dem stimmt auch Mei-Pochtler zu. Sie argumentiert, dass Entschleunigung ein wesentliches Ziel von Think Austria ist. Man muss jedoch von der Reflexion auch in das Tun kommen. Was bedeutet das für die Politik und das Ausüben von Macht? Durch die Explosion von Information in den letzten Jahren, muss man mit sehr viel mehr Information zurecht kommen, dieses dann konsolidieren, kondensieren um dann zu einer Interpretation zu kommen.
Danach beginnt jedoch erst die politische Arbeit, die Mei-Pochtler als Überzeugen und Konsensfindung beschreibt. Zusätzlich haben sich unvorhersehbare, weitreichende Ereignisse, sogenannte Black Swans, gehäuft. Darunter fällt zum Beispiel der Brexit. All diese Faktoren ergeben in Kombination eine unglaublich komplexe Materie, die nur durch starke Zeitkompression bewältigt werden, kann. Ein Skill, der in der Verwaltung aber nicht immer vorhanden ist.
Mutig in die komplexen Zeiten
Das bedarf nach Katzmair zweierlei. Einerseits muss man Komplexität reduzieren: “Komplexität zu reduzieren ist sehr komplex”. Mit den reduzierten Informationen muss dann eine Story erzählt werden, die Menschen das Gefühl gibt, eine Rolle in der Zukunft zu spielen. Er betont, wie wichtig das ist: “Die größte Sorge von Menschen heute ist, dass es eine Zukunft gibt, in der man keinen Platz hat. In der man nicht gebraucht und nicht verwendet wird”. Demokratie kann auf Dauer nur gelingen, wenn man es schafft, Menschen ein Gefühl zu geben, dass sie benötigt werden.
Ein Austausch in zwei Richtungen
Die Fülle an Informationen geht aber nicht nur von der Politik in Richtung Bevölkerung. Tesselaar stellt die Frage, ob es sich ein Staat leisten kann, dieses Wissen zu ignorieren? “Man kann nur für die Bevölkerung regieren, wenn man mit der Bevölkerung regiert”, antwortet Mei-Pochtler.
In unserer veränderungsintensiven Welt sind auch die Anforderungen an die Politik gestiegen. Das benötigt eine schnelle Auffassungsgabe von Themen, in unterschiedlichen Bereichen, mit technologischen Implikationen, eine schnelle Interpretation und Reaktion, eine kommunikative Leistung um das zu an die Bevölkerung zu tragen. “Möglicherweise muss man als Politiker auch noch beliebt sein, um überhaupt wiedergewählt zu werden. Es ist extrem schwierig, was man verlangt”, fügt sie hinzu.
Stärke durch Variabilität
Für diese Herausforderung muss man die Unterschiede von Menschen als Stärke sehen, sagt Katzmair. Dazu benötigt es noch mehr Selbstreflexion als bisher. Denn nur wer weiß, welche Stärken und Schwächen er hat, kann seine Flanken sichern. Ein gutes Team ergänzt sich und weiß warum es auf einem gemeinsamen Weg ist.
Dieses Warum nennt er als die Kohäsion, die auch eine Gesellschaft zusammenhält. “Das war auch ein Grundgedanke von Europa – united in diversity”. Weil wir unterschiedlich sind, können wir unsere Flanken decken. Nur aus dieser Verschiedenheit können wir voneinander lernen und so eine extreme Resilienz entwickeln. Nur mit einer gut gefüllten Werkzeugkiste kann man jedem Problem und jeder Überraschung begegnen.
Der Wunsch nach Glaubwürdigkeit
Diese Unvorhersehbarkeit löst in vielen Teilen der Bevölkerung auch Angst aus. Mei-Pochtler sieht so auch das Phänomen Trump erklärt: “Er ist in seinen Aussagen schlüssig, was viel von seiner Glaubwürdigkeit ausmacht”. Denn mit dem Verlangen nach Sicherheit und klaren Antworten geht auch das Verlangen nach glaubwürdigen Politikern und Politikerinnen einher.
Wie jetzt? Biographien
Antonella Mei-Pochtler ist eine italienische Unternehmensberaterin, die als Senior Partner bei Boston Consulting Group tätig war und mehr als 30 Jahre internationale Erfahrung hat. Das Consulting Magazine wählte sie zu den besten Beratern weltweit und verlieh ihr den Lifetime Achievement Award. Seit 2018 leitet sie den Think-Tank des Bundeskanzleramts „Think Austria“, eine Stabsstelle für Strategie, Analyse und Planung.
Harald Katzmair ist Philosoph, Sozialwissenschaftler und Netzwerkanalyst. Er ist der Geschäftsführer der FAS Research, die Netzwerke wissenschaftlich analyisert und daraus Strategien ableitet.
Was jetzt?
Handgepickte grosse und kleine Gedanken über unsere Demokratie, zur Inspiration und Verzweiflung, zweimonatlich in ihrem Postfach.
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