Inklusion in der Schule: So gelingt Bildung für alle
In dieser Podcast-Folge geht es um Inklusion. Rund 1,376 Millionen Österreicher*innen leben mit einer Behinderung. In Österreich ist seit 2008 die Behindertenrechtskonvention in Kraft. Darin steht, dass kein Mensch wegen einer Behinderung benachteiligt werden darf. Alle Menschen haben ein Recht auf Teilhabe – und zwar an allen Lebensbereichen, also auch Bildung.
Was wären gute Rahmenbedingungen für einen inklusiven Unterricht? Welchen Handlungsspielraum haben Lehrkräfte? Und kann das Nachdenken über Inklusion für Politische Bildung genutzt werden?
Chancengerechtigkeit und Teilhabe für alle
Inklusion geht uns alle an. Es geht nicht nur um Schüler*innen mit Behinderung, es geht auch um sprachliche Barrieren oder um unterschiedliche Lerntypen.
Laut UN-Konvention geht es eigentlich um die Umsetzung von einem inklusiven Bildungssystem, das die Rahmenbedingungen derart gestaltet werden, dass jedes Kind, jeder Mensch mit den individuellen Merkmalen und Voraussetzungen gleichberechtigt teilhaben kann. Johanna Dorfner
Für inklusive Bildung braucht es Geduld, Zeit und ausreichend Personal an den Schulen. Der Weg mit geringerem Widerstand, nämlich Kinder und Jugendliche mit Behinderung wortwörtlich in das Sonderschulsystem abzusondern, ist nicht mehr zeitgemäß.
Sonderschulen führen zum Gegenteil von Inklusion. Sie sind Separation in der reinsten Form – und damit ein ganz klarer Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention, die ja Chancengerechtigkeit und Teilhabe für alle vorsieht. Und: Sonderschulen nehmen auch Kindern ohne Behinderung die Chance auf eine inklusive Ausbildung und die schönen Seiten, die sie haben kann.
Der kleinste gemeinsame Nenner
Nimm dir das Kind heraus, wo der Entwicklungsstand noch so gesehen am weitesten unten ist und überleg dir, wie du diesen Lerninhalt diesem Kind beibringen kannst. Von dem ausgehend ist es dann ein Leichtes für die anderen Kinder, die mehr Kapazitäten und Fähigkeiten haben. Rainer Grubich
Es geht also darum, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Ein Problem sind da aber oft die Eltern. Da kommt dann oft das Argument, dass inklusiver Unterricht das eigene Kind unterfordern würde. Ein falsches Vorurteil, sagt Rainer Grubich:
Die Kinder, die große Leistungskapazitäten haben, können als Lehrende, in die lehrenden Rolle – dann spielt sich dann auf der Metaebene vom Denken her unheimlich viel ab, was sie selbst wieder in ihrer Entwicklung weiterbringt.
Potentiale nutzen
Im Fokus sollte also das Können und nicht das Nicht-Können sein. Die Selektion, die das Notensystem schafft, betrifft bekannterweise alle Schüler*innen. Und – es betrifft auch alle Schüler*innen, wenn Schule nicht inklusiv ist, sagt Johanna Dorfner:
Was dann oft außer Acht gelassen wird, ist dass ja auch die Kinder ohne Beeinträchtigung unglaublich von Kindern mit Behinderung lernen können. Das geht genauso in die andere Richtung und das nicht nur zu akzeptieren, sondern auch als eine Ressource zu sehen und wertzuschätzen und anzuerkennen, dass es da ganz viele unterschiedliche Potenziale gibt.
Es geht um Erfahrungen und Begegnungen mit Menschen, die anders sind. Ein Potential, das nicht ausgeschöpft wird. Dabei ist es für die Schüler*innen oft gar kein großes Thema, wenn sie jetzt gemeinsam mit Menschen mit Behinderung in der Klasse sitzen, erzählt Eva Neureiter.
Funktionierende Inklusion braucht Kooperation, also ein Zusammenarbeiten. Das Gute ist: Lehrkräften steht es völlig frei, so zu unterrichten. Frontalunterricht ist in Österreich keineswegs verpflichtend. Inklusion ernst zu nehmen, bedeutet auch, seine Grundhaltung zu reflektieren und den Zugang zum Lernen auf den Kopf zu stellen.
Lernfortschritte statt Defizite
Es ist richtig und wichtig zu erkennen, dass alle Beteiligten von einem inklusiven Bildungssystem profitieren können. Es ist aber auch richtig, dass wir in Österreich davon noch weit entfernt sind. Umso wichtiger ist es, wo auch immer das geht, den eigenen Unterricht so inklusiv wie möglich zu gestalten. Etwa durch Aufbrechen des Frontalunterrichts, kooperatives Arbeiten und Fokus auf Lernfortschritte statt Defizite. Und warum nicht auch den Schüler*innen eine Stimme geben und mit ihnen gemeinsam das Thema Inklusion in Politischer Bildung bearbeiten?
Es braucht einen Ruck durch alle gesellschaftlichen Teilbereiche, sagt Benjamin Hofer abschließend:
Man muss schon auch wollen als Person mit Behinderung. Es kann natürlich nicht sein, dass alles nur von Lehrkräften und der Klassengemeinschaft kommt. Es ist ein Prozess, wo alle mithelfen müssen, natürlich auch Familien, Verwandte, Freunde, Bekannte, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler. Also es ist ein Prozess, an dem alle mitarbeiten. Wir sind ja auch auf einem Weg und das Schöne ist ja, dass wir alle mitarbeiten können.
Ambra Schuster im Gespräch mit:
- Johanna Dorfner (Verein Integration Wien)
- Rainer Grubich (Pädagogische Hochschule Wien, Fachbereich inklusive Pädagogik)
- Benjamin Hofer (Lehrer, Musiker, Glückscoach)
- Eva Neureiter (Volksschullehrerin und Sonderpädagogin)
Links:
- polis aktuell 7/2021: Ich bin nicht behindert, ich werde behindert
- Index für Inklusion (Inklusionspädagogik)
- Dossier Leichter Lesen: Politik (Zentrum polis)
- Materialien Inklusion (Aktion Mensch)
- Erklärvideo Was ist Inklusion? (Aktion Mensch)
- Online Handbuch Inklusion als Menschenrecht (Deutsches Institut für Menschenrechte)
- Plattform Soziale Inklusion (Donau Universität Krems)
Hören Sie hier eine weitere Folge von Richtig und Falsch: Jugend ohne Wahl – zwischen Politikverdrossenheit und Partizipation
Alle Folgen finden Sie hier.
Richtig und Falsch ist ein Kooperation von Zentrum Polis – Politik lernen an der Schule, der Arbeiterkammer Wien und Demokratie21.
0 Kommentare
Hinterlasse einen Kommentar