Mittun statt mitreden mit Jürgen Czernohorszky
Wien ist seit kurzem das jüngste Bundesland Österreichs. Der Stadtrat für Bildung, Integration und Jugend über das Projekt „Werkstadt Junges Wien“, im Zuge dessen aus 22.000 jungen Meinungen eine Kinder- und Jugendstrategie der nächsten Jahre wird. Ein Gespräch über Inklusion, Migration und den größten Beteiligungsprozess Wiens. Hier lesen Sie drei Stichpunkte:
Politische Werkzeuge für Kinder
Ernstgemeinte Bürgerbeteiligung geschieht in Österreich selten. Das liegt einerseits daran, dass es oft bei Lippenbekenntnissen bleibt, andererseits daran, dass die Methodik stark unterschätzt wird. Je nach Prozessgestaltung ändert sich das Ergebnis: „Bei Partizipation geht es nicht umsonst um die richtige Methodik. Erst wenn vermittelt wird, dass es sich nicht um eine Meinungsumfrage handelt, sondern um mittun statt mitreden, funktioniert das wirklich.“ Der Gedanke dahinter war simpel: „Wie kann man einen transparenten und nachvollziehbaren Prozess gestalten, der einbindet und dann der Verwaltung und Politik Ziele vorlegt, die sie abarbeiten müssen?“
Die „Werkstadt Junges Wien“ ist aktuell im Gange. Bisher wurden in mehr als eintausend Workshops 22.000 Kinder und Jugendliche befragt: Was in Wien gut oder schlecht funktioniert, welche Ideen zur Verbesserung es gibt und wie man das Zusammenleben optimieren kann. Organisiert von und an Schulen, Jugendvereinen, Kindergärten, Magistratsabteilungen und vielen mehr. Ein sozialwissenschaftliches Institut analysiert die Ergebnisse in einem ersten Schritt. Im Herbst folgt ein Kongress mit Vertretern der genannten Institutionen sowie 21 gelosten Kindern und Jugendlichen.
Eine Entscheidung, die keine ist
Wie geht er mit Wünschen um, die gegen sein Parteiprogramm gehen? „Wir haben uns verpflichtet diese Vorschläge ernst zu nehmen. Die Einschränkungen sind die der Machbarkeit, nicht die der Relevanz. Deswegen haben wir eine Feedbackschleife mit den zuständigen Abteilungen, im Zweifel gilt das Primat des Machbaren“.
Unabhängig davon, was gewünscht wird, geht es um etwas Grundsätzliches: „Ich bin der festen Entscheidung, dass es keine Option ist, ob man Kinder mitnimmt oder nicht. Viele verstehen das so, weil es ein Machtgefälle gibt, weil Kinder mehr Schutz und Förderung brauchen. Erwachsene haben im Gegenzug mehr Möglichkeiten zur Gestaltung“. Die Regeln des Staates sollen so gestaltet werden, dass man die jungen Mitbürger auf Augenhöhe hebt, statt sich zu hintunterzubücken, sagt Czernohorzsky. Sein Hintergrund aus der Kinder- und Jugendarbeit prägt sein Denken als Politiker: „Das Selbstverständnis, Kinder mitzunehmen, macht mich als Typ aus und ich sehe es auch als meine Aufgabe, daraus keine Typfrage mehr zu machen“.
Mitspielen bei dem Spiel, das Gesellschaft heißt
Sein zweiter Antrieb ist sehr pragmatisch. Wien ist das jüngste Bundesland Österreich mit mehr als 360.000 Menschen, die unter 19 Jahre alt sind. Da man erst ab 16 Jahren wählen darf, sieht er es als eine zentrale Aufgabe der Regierung, diese Gruppe stärker zu hören und zu repräsentieren. Neben der jungen Bevölkerung ist Czernohorszky auch Stadtrat für Integration. In Wien darf aktuell ein Viertel der Bevölkerung nicht wählen bei Nationalratswahlen, je nach Bezirk sogar noch mehr. Tendenz steigend: „Das Demokratiedefizit, das dadurch entsteht ist groß. Wir arbeiten zum Beispiel mit dem forum.wien.welt.offen dagegen, haben aber als Stadt nicht die Spielräume, die der Bund hat“. Daher werde auch im Kinder- und Jugendbereich parallel dazu gearbeitet, in den nächsten Jahren eine Verbesserung zu erreichen.
Wer jetzt? Biografie und Links
Jürgen Czernohorszky, *1977, ist Wiener Stadtrat für Bildung, Integration, Jugend und Personal. Mit dem Projekt Werkstadt Junges Wien will er 22.000 Kinder und Jugendliche einbinden, um mit ihnen eine langfristige Strategie zu entwickeln.
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