Alltagsrassismus erkennen und diskutieren
Wie kann politisches und rassismuskritisches Lernen heute aussehen? Was tun bei rassistischen Zwischenfällen im Klassenzimmer? Und vor allem, wo liegen die eigenen blinden Flecken, was versteckten Alltagsrassismus betrifft?
Rassismus und Diskriminierung sind nach wie vor zentrale gesellschaftliche Probleme. Die Black Lives Matter Bewegung, aber auch der jährliche ZARA-Rassismus-Report zeigen das deutlich. Aber auch in der Schule und im Klassenzimmer sind Lehrkräfte tagtäglich mit unterschiedlichen Formen von Rassismus konfrontiert.
Es gibt keinen rassismusfreien Raum
Abgesehen vom Rassismus, der einem aus so manchem Schulbuch entgegenspringt, geht es oft auch um kulturelle und religiöse Unterschiede. Neben der Hautfarbe und politischen Konflikten zwischen den jeweiligen Herkunftsländern – Stichwort Jugoslawienkrieg – ist vor allem das Essen ein Thema.
Auch Lehrkräfte selbst sind nicht frei von Rassismus – oft sind sie auch mit ihren eigenen, verinnerlichten Vorurteilen konfrontiert. Manchmal sei es schwer, nicht unbeabsichtigt rassistisch zu denken, gibt Kristiane Meister, Volksschullehrerin im 16. Wiener Gemeindebezirk, zu.
Rassismus ist ein heikles Thema, eines der „heißen Eisen“ der Gesellschaft wenn man so will. Einen Bogen drum machen, sollte aber trotzdem nicht in Frage kommen. Und: Rassismus ist überall. Dessen muss man sich einfach bewusst sein, sagt Heline Ahmad. Sie hält Anti-Rassismus-Workshops in Schulen – und sie sagt aber auch, dass sich das Thema nicht nur auf eine Unterrichtseinheit beschränken lässt.
Keine voreiligen Schlüsse ziehen
Rassismus kommt in den unterschiedlichsten Facetten daher. Bevor man sich mit Rassismus als Thema im Unterricht befassen kann, gehört deshalb das eigene Verständnis dafür geschärft. Es braucht ein Bewusstsein dafür, was denn jetzt eigentlich rassistisch ist. Und wo Diskriminierung beginnt. Oft ist das eindeutig. Problematisch wird es aber dann, wenn Rassismus nicht gleich als solcher erkannt wird, sagt Stefan Schmid-Heher von der Pädagogischen Hochschule Wien.
Als Lehrkraft sollte man genau hinschauen und reflektieren. Wie steht’s um die eigenen Privilegien und Denkmuster? Und hab ich eigentlich Vorurteile gegenüber einzelnen Schülerinnen und Schülern? Oder gibt’s Missverständnisse?
Lebensrealitäten können in diversen Klassen sehr unterschiedlich aussehen. Dementsprechend unterschiedlich sehen auch die rassistischen Erfahrungen aus. Sie werden oft als etwas sehr Privates empfunden und deshalb gerne gemieden.
Rassistische Vorfälle und Erfahrungen im Unterricht zu thematisieren
Über Rassismus reden und Erfahrungen austauschen ist essentiell, auch um Rassismus überhaupt mal benennen zu können. Aber Achtung: Vor lauter Rassismus erkennen und sich selbst für rassistische Diskriminierung sensibilisieren, sollten Lehrkräfte nicht in die „ihre“ und „unsere“ Kultur-Falle tappen, sagt Stefan Schmid-Heher.
Drüber reden, diskutieren, hinterfragen – das ist der richtige Weg. Einfach nur den Riegel vorschieben und Rassismus im Klassenzimmer quasi verbieten, reicht jedenfalls nicht. Stefan Schmid-Heher.
Der Rassismus, der unsere Gesellschaft prägt, kann nicht alleine in der Schule gelöst werden. Es ist aber richtig und wichtig, für Diskriminierung und auch den oft weniger offensichtlichen Alltagsrassismus zu sensibilisieren. Und zwar sich selbst, die Schülerinnen und Schüler aber auch Kolleg*innen wenn nötig. Es ist auch richtig, rassistische Vorfälle und Erfahrungen im Unterricht zu thematisieren. Es wäre falsch, das nicht – oder nur oberflächlich und moralisierend zu tun.
Ambra Schuster im Gespräch mit:
- Heline Ahmad (Asylkoordination Österreich)
- Özgür Atagan (Teach For Austria Fellow und Lehrer einer Neuen Mittelschule im 11. Wiener Gemeindebezirk)
- Kristiane Meister (Volksschullehrerin im 16. Wiener Gemeindebezirk)
- Stefan Schmid-Heher (Pädagogische Hochschule Wien)
Links
- Alltäglicher Rassismus. Themenblätter im Unterricht Nr. 110 (Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn)
- Antisemitismus: Geschichte – Gegenwart – Prävention (Dossier, erinnern.at)
- Aufbrechen – Ankommen – Bleiben (Handbuch, UNHCR)
- Kompetenz im Umgang mit Vorurteilen Lehrbehelf und Materialien für die Sekundarstufe I (Sir Peter Ustinov Institut zur Erforschung und Bekämpfung von Vorurteilen)
- “Riskieren Sie einen Blick hinter ihre Vorurteile” (UNHCR)
- ZARA Training – Antirassismus-Angebote (Angebote für Schulklassen und Erwachsenengruppen, Peer Learning Projekte etc.)
Hören Sie hier eine weitere Folge von Richtig und Falsch: Generation Klimakrise: Was ist die Aufgabe der Schule?
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Richtig und Falsch ist ein Kooperation von Zentrum Polis – Politik lernen an der Schule, Demokratie21 und der Arbeiterkammer Wien.
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