🇪🇺 Der Beginn der politischen Wachsamkeit mit Robert Menasse
Den Abschluss unseres Europaschwerpunkts macht der Autor Robert Menasse. Als politischer Essayist und Europadenker hat er mit seinen Büchern „Der europäische Landbote“ und dem Roman „Die Hauptstadt“ Europa durchleuchtet und weitergedacht. Ein Gespräch über eine europäische Republik, wie der Gründergedanke verraten wurde und warum ein Wiener mehr mit einem Berliner als einem Tiroler gemein hat. Hier lesen Sie drei Stichpunkte:
Von Sportseiten zu Chile
Was politisiert einen politischen Essayisten? Menasse beschreibt sich in seiner unpolitischen Zeit als Studenten, der Sport- und Kulturseiten in der Zeitung las. Das änderte sich am 11. September 1973. Der Tag an dem der demokratisch gewählte Regierung Chiles durch einen Putsch gestürzt wird. Er demonstriert vor der amerikanischen Botschaft: „Das war der Beginn meiner politischen Wachsamkeit“.
Für Europa passiert das später. Menasse fragte sich, was die Chancen, Zustände und Umstände des Lebens produziere. „Die Gesetze, die Österreich umsetzt, sind zu 80 Prozent übernommen von der Europäischen Union. Die Rahmenbedingungen meines Lebens werden also in einem anderen Land gemacht. Was ist diese EU also?“. Menasse nimmt sich 2010 eine Wohnung in Brüssel und erforscht ein Jahr lang die Institutionen, allen voran die europäische Kommission. Er zeigte sich überrascht, wie schlank und effizient sie funktioniert, Blockaden kämen viel eher durch die Nationalstaaten. Das Ergebnis ist eine Reportage und Reflexion in einem: „Der europäische Landbote ist ein Stück Literatur, aber ein erfahrungsgesättigtes“.
Bevölkerung versus Staaten
Menasse sieht in der aktuellen Verfassung der EU keine gute Grundlage für die Zukunft. Seine Lösung dafür sind nicht mehr nationalstaatliche Kompetenzen, sondern eine europäische Republik: „Es geht dabei nicht um die Souveränität der Nationalstaaten, sondern um die Souveränität der Bevölkerung“. Das größte Problem ist für ihn die fehlende Gleichstellung vor dem Recht. „Wir sind alle europäische Bürger, aber wir haben verschieden gute Sozial- und Bildungssysteme, zahlen verschieden hohe Steuern und erhalten verschieden hohe Löhne für die gleiche Arbeit. Als wäre das nicht genug, zählt politisch nicht jede Stimme gleich viel“. Es sei ein großer Unterschied ob man Bürger eines großen, ökonomisch starken Mitgliedslandes, wie Deutschland, oder ein ökonomisch unbedeutender Zypriot ist, was demokratiepolitisch bedenkliche Folgen hat.
Was ist heute der Zweck von Nationalstaaten? Mit Gesetzgebung, die Großteils auf europäischer Ebene geschieht, und Ländern die in sich gespalten sind? „Was habe ich als Wiener Autor, mit einem Tiroler Bergbauern gemeinsam? Da gibt es mehr Gemeinsamkeiten mit einem Städter aus Bratislava“. Menasse wird oft bescheinigt, dass durch eine Europäisierung eine Gleichmacherei geschehen würde, was aber nicht der Fall ist. Als Ausgleich zu einer europäischen Republik sieht er die Stärkung der Regionen als wichtig an.
Ein neuer Weg
Menasse sagt, dass der Ursprungsgedanke der Gründer in Vergessenheit geraten sei: „Die Gründergeneration der EGKS hat das ja nicht wissen können, wie sehr sie recht hatte auch im Hinblick auf die Zukunft, also die Globalisierung“. Um es mit den Worten von Bill Clinton zu sagen, it’s the economy, stupid! Selbst zwei Weltkriege haben eine globalisierte Wirtschaft nur kurz aufhalten können, sagt Menasse. Darauf aufbauend soll eine europäische Politik entstehen, die nicht den Vorteil einzelner Nationalstaaten ermöglicht, sondern das Beste für die gesamteuropäische Bevölkerung. Ein erster Schritt könnte eine Sozialunion sein mit einer Arbeitslosenversicherung für alle EU-Bürger.
Im Interview hören Sie u.a. noch:
-
- Wieso Robert Menasse über Europa schreibt / Was es zur Umsetzung einer echten politischen Union benötigt
- Wie historische Romane von Victor Hugo und Theodor Fontane uns nach wie vor viel über das Mensch sein erklären.
Robert Menasse ist ein österreichischer Autor, mit Werken wie „Der europäische Landbote“ und sein aktuellstes Buch „Die Hauptstadt„. Sie finden ihn auf Facebook.
Alle Folgen unseres Europaschwerpunkts
#1 Nini Tsiklauri von Pulse of Europe
#2 Cornelius Hirsch von Poll of Polls
#3 Katharina Zangerl von Volt Österreich
#4 Robert Marschall von der EU-Austrittspartei
0 Kommentare
Hinterlasse einen Kommentar